Gedanken

An dieser Stelle moechte ich einmal ein paar Gedanken und Gefuehle loswerden, die ich in Bezug auf Vietnam habe. Denn wie man vielleicht schon manchmal in den Berichten gemerkt hat, ist und war es fuer mich nicht immer sehr einfach, mich hier reinzufinden oder Sachen zu akzeptieren. Ich hatte eine wunderschoene Zeit hier und jetzt, gerade im Sueden, hat sich auch vieles veraendert, aber manche Sachen sind fuer mich schwer zu verstehen, machen mich traurig und manchmal wuetend. Alles was ich hier schreibe, sind meine Empfindungen, andere sehen das bestimmt ganz anders, viele stimmen aber auch mit mir ueberein. Und wenn ich hier feststelle, dass etwas teuer ist, sollte man es nicht mit unserem Verstaendnis sehen, sondern immer im Zusammenhang mit diesem Land und ich jetzt auch in meiner Situation. Vielleicht habe ich auch manche Sachen nicht richtig aufgefasst, das kann schon sein. Jedoch habe ich hier ein grosses Problem mit dem Umgang von Geld gehabt. Wer mich kennt, der weiss, dass Geld fuer mich nicht das Wichtigste ist, aber hier war und ist es immer ein Thema, ueber das man sich Gedanken machen MUSS. Und das frustiert und aergert. Manchmal kam ich mir total bescheuert vor, da alles nur darum kreiste… wie teuer ist das Hotel, die naechste Tour, die Banane auf dem Markt, die Taxifahrt??? Aber wenn man ein wenig auf seine Ausgaben achten muss und das trifft auf mich zu, dann hat man es nicht leicht in diesem Land. Hier in Vietnam treffen 2 Systeme aufeinander, der hochgepriesene Sozialismus, auf der Strasse und im Umgang mit Touristen und der Industrie herrscht der pure Kapitalismus. Und beides tritt nur mit den schlimmen Seiten auf. Die Arbeiter werden ausgebeutet, die Grossen dahinter scheffeln das Geld und das Land ist zu arm, seinen Bewohnern irgendeine Sicherheit bieten zu koennen, jedoch sind die Regierungsgebaeude die groessten und gepflegtesten vor Ort und die hohen Tiere fahren mit einem Mercedes Benz. Vietnam zaehlt zu einem der aermsten Laender, trotzdem bezahlt man hier als Westler manchmal Preise, angeglichen an die in Deutschland oder noch hoeher – wie gesagt manchmal. Als kleines Beispiel moechte ich da unsere Tour nach Mai Chau auffuehren. Wir bezahlten pro Person 50 Dollar fuer 2 Tage. Das ist ok. Jetzt aber zu diesem ungemein schwierigen und falschen System hier in dem Land, das vom Tourismus lebt – Der Guide verdient fuer an einem Tag 3 Dollar, der Fahrer 5 Dollar und fuer die Unterkunft, Vollverpflegung, bezahlten sie fuer uns alle zusammen 15 Dollar – macht zusammen 31 Dollar Ausgaben bei einer Einnahme von 150 Dollar durch das Reisebuero. Gewinn, schoen und gut, aber dann muss man sich mal ueberlegen, wieviel man sich wohl von 3 Dollar kaufen kann, die man an einem Tag verdient. Der Durchschnittslohn eines vietnamesischen Arbeiters liegt bei 2 Dollar pro Tag, wobei manche 7 Tage die Woche arbeiten, in manchen Fabriken auch 11 Stunden pro Tag. Die Firmen gehoeren meist auslaendischen Investoren, die die Gewinne einstreichen. Es gibt kein Gesundheits- bzw. Sozialsystem und ohne eine Familie ist man verloren, denn das ist die Altersvorsorge. Ins Krankenhaus geht man nicht, da es zu teuer ist. Trotzdem bezahlen wir fuer Touren oder andere Sachen eine Menge Geld (bitte immer alles im Zusammenhang betrachten, auch wenn vieles wesentlich guenstiger ist als in Deutschland). Jedoch ist das System so aufgebaut, das man noch viel Trinkgeld zusaetzlich bezahlt und was der Guide, Fahrer, Arbeiter … auch braucht, wenn man sich die Loehne anschaut. Jedoch sind es schon alle so gewohnt, dass sie boese werden, wenn es nicht genug ist (als Beispiel die Masseurin in Na Thrang). Was mir dann sofort wieder ein schlechtes Gefuehl gab, obwohl ich ja fuer die Leistung schon bezahlt hatte, fuer meine Verhaeltnisse auch viel, da ich es mir leisten wollte. Und es war super – keine Frage. Aber diese Situationen machen mich dann sauer, traurig und hilflos. Sind also die Verhaeltnisse in dem Land eine Entschuldigung dafuer, dass sie dich verarschen (und das ist keine Einbildung), dich beluegen oder die 10-fachen Preise verlangen? Kann man etwas an der Situation aendern? Nein. Fuer mich muss ich allerdings sagen, dass Vietnam ein Land ist fuer Touristen, die vielleicht nicht auf jeden Cent schauen muessen. Denen es Spass macht zu Verhandeln, die es aber auch nicht muessen. Die in grossen Luxushotelanlagen schlafen wollen, die hier aus dem Boden gestampft werden und die einfach ein bisschen Ausspannen wollen von dem hektischen Treiben zu Hause. Zudem passiert Korruption so oft, alles laeuft ueber Vetternwirtschaft, meist so, dass man es nicht einmal merkt. Ein gutes Beispiel war das kleine Restaurant in Na Thrang, in dem dieses kleine Maedchen rumrannte und es so gut meisterte mit der ganzen Horde klar zu kommen (wahrscheinlich fuer 3 Dollar Lohn am Tag). Und dann war dort so ein aufgeblasener, arroganter Schnoesel, der Guide der Reisegruppe, vielleicht 26, der im Restaurant wie ein Gockel mit Wohlstandsbaeuchlein rumstolzierte und seinen Schuetzlingen nach dem Mund redete und ein falsches Laecheln aufsetzte. Als dann alle bezahlt hatten und weg waren, kam er zurueck zum Hotel – das Laecheln war weg und mit dem nagelneuen Handy in der einen Hand nahm er von dem Besitzer eine grosszuegige „“Spende““ von 100.000 Dong an (ungefaehr 6 Dollar), nur weil er mit der Gruppe dort essen kam. Oh, es schuettelte mich am ganzen Koerper. Auch hier denken die meisten Leute nur an das Geld. Ein anderes Beispiel -> Als wir vom Bahnhof zurueck nach Hoi An sind, war das Auto ja leer, bis auf meine Wenigkeit hatten wir ja alle abgesetzt. Natuerlich war ja auch alles bezahlt. Der Fahrer stoppte an einer Bushaltestelle und liess 7 Leute aus Hoi An mit einsteigen, darunter 4 aeltere Leute. Ploetzlich streckten sie dem Fahrer Geld entgegen. Dieser schuettelte nur den Kopf. Und ich dachte noch im ersten Augenblick, oh das ist aber nett, dass er sie so mitnimmt. Oje, weit gefehlt, wie konnte ich nur auf diesen Gedanken kommen. Es war zu wenig und nach ewigem Hin und Her bezahlten sie mehr als das Doppelte vom Anfangspreis. Wahrscheinlich konnte er sich genau deshalb das neueste Nokia leisten, das in seinem Hemd steckte. Unser Guide von Mai Chau nahm seine Regierung auch noch in Schutz – sie haben kein Geld und koennen daher auch nichts geben. Ja das sah man dann ein paar Stunden spaeter in dem kleinen Doerfchen als die dicken Autos anrollten mit den Regierungsbeamten. Sie kamen um sich die Tanzveranstalungen hier anzusehen, als kleinen Wochenendausflug. Bevor sie wieder zurueck sind, zeigten sie sich noch gegenseitig die ausgestopften Wildtiere und die Hoerner, die sie sich hier geleistet haben. Diese pure Arroganz musste ich auch spueren, als einer ein Foto mit mir wollte. Er zog mich an sein Gesicht ran und groelte laut herum. Da kam ich mir dann auch vor wie eine Trophae, spaeter im Familienfotoalbum zu bewundern. Was laeuft hier falsch? Mich wunderte es, dass ich nie Bettler auf den Strassen sah. Die Erklaerung: die Regierung haette es ihnen verboten. Mir fehlen die Worte. Keine soziale Absicherung, aber Hauptsache den Touristen, der netten Einnahmequelle, wird es so angenehm wie moeglich gemacht. Und Bettler passen nicht in dieses Bild. Die Vietnamesen sind so ein liebes Volk. Die, die ihr Geschaeft mit den Touristen machen, koennen aber auch ganz anders, wenn das Geld nicht stimmt. Sie lachen dich an, aber nicht mit den Augen, in denen sehen sie weiss = Geld. Jeder will ein Stueck abhaben vom grossen Kuchen. Deshalb fiel es mir auch so schwer, mich hier einzugewoehnen. Nach 3 Wochen wusste ich immer noch nicht wieviel 1 Kilo Aepfel kostet. Man sollte sich wegen dem Geld nicht so anstellen, ich weiss. Und so schlimm wie es mich am Anfang erwischte, ist es auch schon laengst nicht mehr. Wenn man aber immer dieses unterschwellige Gefuehl hat, ueber den Tisch gezogen zu werden, wird man misstrauisch und es macht einfach keine Freude. Das trifft jedoch nicht auf die Bevoelkerung in kleinen abgelegenen Gegenden zu – solch eine Herzlichkeit und Freundlichkeit ist mir bis jetzt noch nie untergekommen. Hier kann man zur Ruhe gelangen, Momente des Gluecks erfahren – so tief. Die Leute und die Landschaft bezaubern. Ich habe mich oft gefragt, warum man hier abschalten kann und so eine innere Gelassenheit erlangen kann. Irgendwann fiel mir auf, dass es hier kaum Stress gibt, sieht man mal vom Verkehrchaos auf der Strasse ab, aber auch hier folgen alle einem System 🙂 Jeder ist gelassen, auch in Situationen, in denen man zu Hause wie wahnsinnig am Rad drehen wuerde, woran vielleicht auch einige kaputt gehen koennen. Es war eine Freude fuer mich im Nieselregen durch die verlassenen Strassen zu laufen. Betrachtet man das urspruengliche Vietnam, abseits der Touristenzentren, was sehr schwierig ist, denn man treibt mit in diesem Strom von einer Touristenburg zur anderen, empfindet man Leben, Freude und Ruhe. Ich konnte auch viele Parallelen zu Indien ziehen – gut. weniger Dreck, mehr Reishuete und Mundschuetzer, aber doch aehnlich. Zufriedenheit, vielleicht oft auch Freude und Glueck am Leben, das so anders ist als unseres. Manchmal fuehlte ich mich an meine Kindheit erinnert – als wir im Wald rumrannten, Buden bauten und auf kleinen Steinoefen Sand „“kochten““. Nur dass hier in den Toepfen richtig Essen koechelt und das auch richtig gut. Denn die „“Luxusstandards““ der Haeuser erinnern eher an unsere Buden im Wald als an Edelstahltoepfe in IKEA-Kuechen (zumindest auf den Doerfern). Ich fuehlte mich oft wie ein kleiner Vogel, der herumirrt und einfach nicht ankommt, nichts fassen kann. So folgte meist auf einen Gluecksmoment ein Moment, in dem man enttaeuscht wird. Das ist es wahrscheinlich auch. Ich bin nicht wuetend, wenn sie dich wieder versuchen abzuzocken. Ich bin enttaeuscht und hilflos. Aber wahrscheinlich ist das ihr einziger Weg, ihre einzige Chance. Und solange Touristen kommen, ihre Preise bezahlen und ihnen dadurch vielleicht auch ein besseres Leben vorgaukeln, das erstrebenswert ist, wird sich auch nichts aendern. Die kleinen Arbeiter rackern sich ab fuer einen Hungerlohn und die Grossen werden scheffeln, da man den Schlund ja nicht voll genug bekommen kann. Aber wo auf der Welt ist es anders? Es hat meist nur andere Ausmasse.

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