Yangon – Myanmars quirrlige Grossstadt, 1. Tag
Mit dem neuen Hostel hatten wir einen absoluten Gluecksgriff, es war erst sein 2 Monaten geoeffnet – total sauber, duftend mit warmem Wasser – schoen, obwohl bei den Temperaturen hier eigentlich unnoetig – denn die Sonne steht ueber der Stadt.
Unsere erste Station war der Skytower von Yangon mit Rundumblick ueber die Stadt – ein modernes Gebaeude mit einem schicken Restaurant im obersten Stockwerk. Bei Bananensaft liessen wir die Stadt aus der Vogelperspektive wirken. Die goldene Shwedagon Pagode ueberstrahlte im Norden das Stadtbild. Kleine Miniaturausgaben (im Vergleich zur grossen) durchzogen die gesamte Kulisse. Waehrend im Norden teils Einfamilienhaeuser und lichtere Plaetze das Bild praegen, draengen sich im Sueden Richtung Fluss die mehrstoeckigen Wohnhaeuser. Bunte Schluchten alter kolonialer Haeuser, mit schmiedeeisernen Balkonen, ueber denen die Waesche trocknet.
Die naechsten Stunden durchstreiften wir die Stadt. Die Strassen voller Leben und buntem Treiben hielten den Blick die ganze Zeit gefangen. So vieles erinnert mich an Bombay, eine Stadt, die ich wirklich mochte – die alten kolonialen Haeuser, die teilweise komplett von Wurzeln und Pflanzen gefangen gehalten werden, die Buergersteige gesaeumt mit Baeumen und Strassenstaenden, unzaehlige Menschen auf den Strassen, die sich ihren Geschaeften nachgehend, durch die Strassen schieben, ihre Staende betreuen oder das Schauspiel vom Balkon aus beobachten. Auch hier sind die Strassenzuege nach verschiedenen Handwerken und Shops geordnet – so gibt es eine Strassenseite nur mit Graveuren, eine nur mit Spielzeug, eine andere nur mit Holzverarbeitung. Und waehrend man im Strom mitschwimmt werden die gravierenden Unterschiede zu Indien sichtbar, die alles (fuer mich zumindest) so viel angenehmer machen. Es fehlen die Muellberge und die Aufdringlickeit der Menschen – ueberall wird man freundlich gegruesst, doch sofort weiter ziehen gelassen – kein unnatuerliches Gaffen und Hinterherlaufen, keine aufdringlichen Zurufe, ob man nicht dieses oder jenes kaufen moechte.
Zum Anfang fuehlte ich mich noch ziemlich touri-like, dem zu langen Fernbleiben des Reisens geschuldet, aber schon bald verpflog die Schuechternheit. Alle gingen ihren Geschaeften nach. Man konnte daran teilhaben oder man liess es bleiben und das war ein solch angenehmes Gefuehl. Erinnerte aeusserlich viel an den indischen Nachbarn, so war die Mentalitaet der Leute doch Welten von ihnen entfernt. Freundliche Blicke, ein Nicken und immer ein Laecheln auf den Lippen waren die anhaltenden Eindruecke dieser wunderbaren Menschen.
Wir besuchten die Sule Pagode, eine der goldenen Spitzen, die in den Himmel Yangons ragen. Die goldene Pagode wird durch einen Gang ringsherum eingekreist, von dem wiederum kleine Gebetsraeume mit goldenen Buddhastatuen besetzt abgehen. Myanmar hat einen unglaublichen Reichtum an diesen Pagoden, die groesstenteils in gold erstrahlen und die besondere Form eines Kegels haben, mi t einer breit auslaufenden Grundflaeche. Doch nicht nur die goldene Pagode ist das Prunkstueck der Anlagen, sondern auch die vielen kleinen Pagoden, Raeume, Buddhastatuen und Tempelchen ringsherum, die fast immer goldgefasst sind, bilden jedes fuer sich eigene Kunstwerke. Ein unglaublicher Prunk, wie es mir bisher noch nirgends untergekommen ist – eine ganz eigene Art den Buddhismus zu froehnen. Die Leute sind unglaublich religioes und spaeter sollten uns auch noch unzaehlige Moenche begegnen, die die juengste Geschichte des Landes so sehr mitgepraegt haben.
Es ist einfach nur schoen und laesst einen ein bisschen durchatmen in der hektischen Stadt, auf den Stufen zu sitzen und diesem bedaechtigen Schauspiel der betenden und vorbeiziehenden Burmesen und Moenche zuzuschauen. Anschliessend ging es weiter, vorbei an den maechtigen Einrichtungen der Militaerregierung, durch eine enge Strasse, an der sich eine Schreibmaschine an der anderen auf wackeligen Tischchen reihte, bis zu einem kleinen Strassenstand, an dem wir uns erst schwarzen Kaffee verhandeln mussten, denn normalerweise kommt dieser mit Milch und Zucker. Bis heute fuer uns ungeklaert warum, kam dann ein hagerer, aermlich aussehender Mann zu uns, der anfing Hendrik zu massieren, gefolgt von den Postkartenkindern, die versuchten, die gleichen Paare mehrfach unter die Leute zu bringen. Auf unseren kniehohen bunten Plastikstuehlen mit Kuchen vom Markt, den Kindern und dem massierenden Alten gaben wir wahrscheinlich ein unglaublich komisches Bild ab.
Eine wirkliche Plage ist in Myanmar der Kautabak, der sich scheinbar landesweit (zumindest in den Hauptorten) unglaublicher Beliebtheit erfreut und von fast jedem burmesischen Mann konsumiert wird. So sieht man eigentlich kaum weisse Zaehne, das herzliche Laecheln wird immer durch dunkelrote Zaehne oder auch gar keine mehr gekroent. Immer sieht man die Maenner kauen oder rot in den Sand spucken – ein Anblick, an den man sich kaum gewoehnen kann.
Begleitet von den Postkartenkindern gingen wir an den Fluss, angelockt vom nahenden Sonnenuntergang. Wir verbrachten gemeinsam mit den Kleinen eine Stunde vor dem Licht der letzten Sonnenstrahlen – ein paar von ihnen huepften im Wasser herum und kammen stietzhaarig aus dem trueben Wasser geklettert, um gleich darauf vom Holzpier wieder herein zu springen. Es war sehr angenehm und ich hatte auch gleich eine kleine Freundin an meiner Seite.
Natuerlich ist die ganze Geschichte auch wieder fraglich: Woher koennen sie so gut englisch? “Ein Freund hat es uns beigebracht.” Alle kennen Michael Schuhmacher und Michael Ballack, wenn man sagt, dass man aus Deutschland kommt. Jeder erzaehlt den gleichen Text, jeder hat die gleichen Karten und sie rennen herum an einem Schultag. Da braucht man wahrscheinlich nur eins und eins zusammenzuzaehlen – ein haessliches Gesicht des langsam aber stetig wachsenden Tourismus.
Abends trafen wir noch Robert, der auch noch gleich ins Viererzimmer eingeladen wurde und gingen mit ihm in ein Restaurant, was fuer Yangon so untypisch, fuer Deutschland so typisch ist – schick westlich mit Pasta, Pizza und Wein. Ich haette lieber auf der Strasse gesessen, aber Robert, der schon seit mehreren Wochen hier rumgereist ist, kann man es nicht veruebeln, dass es fuer ihn das Paradies auf Erden war. Muede fielen wir anschliessend in unsere Betten, um uns fuer den letzten Tag Yangon auszuschlafen.