Cusco – 52./53. Tag
Wir nahmen zum Anfang noch den gleichen Bus bis Puno, diesmal ueber den anderen Grenzuebergang, der wesentlich geschaeftiger war, aber dafuer auch umso schneller und in Puno hiess es wieder einmal fuer ein paar Tage Abschied nehmen. Wir lernten Tom und Will (Englaender und Australier) kennen, die mit mir weiter nach Cusco fuhren. Wieder einmal begeisterte mich dich Landschaft und haette mir oft gewuenscht mit dem Rad unterwegs zu sein, einfach anzuhalten, wenn man moechte, naeher an dem Land dran zu sein, als nur mit dem Bus durchzurasen – die Steppe mit den Viehherden, kleine Maedchen beim Fussballtraining in Sportuniformen (war dann aber eher in einer kleinen Stadt ;)), kleine Friedhoefe mitten im Nirgendwo, kleine Hoefe und diese Weite, nur begrenzt durch die Bergketten am Horizont. Wir erreichten abends Cusco, wieder ein ganzer Tag im Bus. Ich war ganz froh die beiden getroffen zu haben, so dass ich mich nicht allein um ein Taxi kuemmern musste, allerdings lief dann alles ein bisschen anders, als ich es geplant hatte. Ich wollte in einen Ableger des Hostels in dem ich schon in Lima war. Ich hatte nie wirklich einen Plan wohin in den anderen Staedten, doch das Pariwana in Cusco war von Anfang an klar. Tom und Will wollten ins Lokihostel, was als ziemlicher Partyplatz seinen Ruf weg hatte. Mein Hostel lag auf dem Weg und ich denke, dass ich dem Taxifahrer auch sehr deutlich klar gemacht habe, dass ich zuerst raus gelassen werden will. Dann ging die Fahrt los und was auf der Karte so nah aussah, stellte sich als ewige Fahrt heraus, bis ich dann mal fragte, wo er grad eigentlich hin faehrt. „“Erst bring ich die Jungs zum Loki und dann dich zum Pariwana.““ Aber sicher nicht mit mir. Er versicherte mir dann, dass er ein ehrenwerter Taxifahrer ist, das mag auch alles sein und ich war vielleicht auch im Unrecht, aber ich liess es nicht drauf ankommen, das herauszufinden. Also blieb auch ich im Loki – das Hostel war wirklich sehr gut, sauber, gross mit Fruehstueck und freiem Internet, doch diese Partyatmosphaere war wirklich so gar nicht meins und da ich im Bus gar nicht geschlafen hatte, verschwand ich im Bett mit Britney Spears als Gute-Nacht-Musik.
Am naechsten Tag ging es fuer mich frueh zeitig raus. Ich hatte viel zu organisieren und zu planen, denn Machu Pichhu stand auf dem Programm und ich hatte wenig Zeit. Ich brachte meine Klamotten zur naechsten Reinigung, in der sich auch eine Travel-Agency befand. Eigentlich plante ich ja den ganzen Trip auf eigene Faust zu machen, aber da ich nicht wusste, wie die Ruinen besucht waren oder wie sicher es allein ist, entschied ich mich doch im Vorfeld eine Tour zu buchen. Ich liess mich dann ueber meine ganzen Optionen beraten und nachdem ich mich durch Nachfragen versicherte, dass der Preis ganz gut ist, buchte ich fuer den gleichen Tag eine Citytour zu den nahen vier Inkaruinen und fuer die naechsten 2 Tage eine Tour ins Heilige Tal der Inka mit Uebernachtung in Agua Calientes und am naechsten Tag den Besuch von Machu Pichhu. Danach ging es zur Bank, ich kaufte mir ein guenstiges Ticket zurueck nach Lima und holte noch ein paar andere Erkundigungen ein. Um diesen ganzen Orgakram zu erledigen, bekam ich schon einiges von der Stadt zu sehen. Anschliessend schaute ich mir den Hauptplatz an mit der Kathedrale und der Kirche, beide aus roten Backsteinen erbaut, wie viele Haeuser in Cusco, was sich beim Blick von oben gut erkennen laesst. Die Stadt ist recht ueberschaulich und wohl auch als schoen zu betrachten, aber auch sehr touristisch und viel weniger lebendiger und authentisch als es La Paz fuer mich war, aber das ist nur eine ganz persoenliche Einschaetzung. Lustigerweise rannte ich vor der Kirche Florian und Nina ueber den Weg und wir entschieden uns spontan fuer ein gemeinsames Mittagessen. Meine Tour zu den Ruinen startete anderthalb Stunden spaeter uns so hatten wir ein bisschen Zeit ueber das inzwischen Erlebte zu berichten. Waehrend Steffi und ich in La Paz waren, blieben die beiden in Copacabana und hatten eine entspannte Zeit am See mit viel Fisch und Relaxen. Dann fing meine Tour an, zusammengepfercht in einem kleinen Bus ging es mit 30 Leuten los. Ich war schon nach ein paar Minuten genervt von dieser Tourikutsche, das Englisch des Guides war auch kaum zu verstehen und alle Plaetze, die wir besuchten, waren ueberrannt, so dass man kaum treten konnte. Ich wurde sogar richtig sauer, warum kann ich gar nicht so genau sagen, aber mich nervte das alles so sehr und ich fuehlte mich kein Stueck wohl oder dass es jetzt das ist, was ich eigentlich machen will. Doch die Zeitknappheit liess mir gar keine andere Wahl, zumindest nicht, wenn ich die Staetten sehen wollte. Wir besuchten zuerst eine alte Inkastätte (Qorikancha), die später die Basis der Kolonialkirche Iglesia de Santo Domingo bildete. Um einen Innenhof herum befindet sich ein Gang, dessen Seitenwände von riesigen Ölgemälden mit christlichen Motiven geziert werden, während man auf einer Seite die Überbleibsel der alten Inkamauern bestaunen kann. „Zu Inkazeiten war Qorikancha (in Quechua – Perus zweiter Amtssprache –: ‚goldener Hof‘) buchstäblich mit Gold bedeckt. Er wurde nicht nur für religiöse Riten genutzt, sondern war auch ein Observatorium, von dem aus die Priester die wichtigen Ereignisse am Himmel beobachteten. Heute ist von dem am reichsten ausgestatteten Inkatempel nur sein meisterhaft steinernes Mauerwerk übrig geblieben – den Rest haben die spanischen Konquistadoren geplündert.“ Wie gesagt, rannten sich die Reisegruppen beinahe selbst über den Haufen und von der wunderschönen Atmosphäre des Innenhofes mit den steinernen kühlen Gängen, die von Efeu überrangt waren blieb wenig übrig. Anschließend ging es zu der größten Anlage der heute besuchten – Sacsahuamán, welche sich über eine weite Fläche zieht und Mauerreste, bestehend aus zwei Meter großen Steinbrocken offenbart. Allerdings ist das, was man heute zu Gesicht bekommt nur noch 20% der des Originalkomplexes. „Kurz nach der Eroberung rissen die Spanier die Mauern nieder und verwendeten die Steinblöcke, um ihre eigenen Häuser in Cusco zu bauen. Auf der Tour wurde sehr viel zu Symboliken erklärt, welche die Inka nicht nur in ihren Alltag einbunden, sondern gerade auch in der Architektur oder Stadtplanungen aufleben ließen. So wurde Cusco damals in Form eines liegenden Pumas angelegt, wobei Sacsahuamán den Kopf bildete und die 22 zickzackförmig angelegten Mauern die Zähne darstellten. „1536 erlebte das Fort eine der bittersten Schlachten zwischen den Spaniern und Manco Inca, der die Spanier hier belagerte. Tausende Tote lagen nach der Niederlage des Inka auf der Wallstatt, was Schwärme Aas fressender Andenkondore angelockt haben soll. An die Tragödie erinnert die Einbeziehung von acht Kondoren in Cuscos Wappen.“ An den Busparkplätzen war meist die Hölle los – zahlreiche Frauen belagerten die Ausgänge der verschiedenen Stätten, um ihren Schmuck oder ihre Statuen zu verkaufen. Dazwischen schritten die Lamas neben traditionell gekleideten Frauen, immer rufend: „foto, foto, un foto por favor!“ Es hatte eine Jahrmarktsatmosphäre, welches die Besichtigung der Inkaplätze mit den ganzen Touristen noch unwirklicher erschienen ließ. Der nächste besuchte Ort war Q’engo – eine kleine Ruine, bestehend aus einem Kalksteinfelsen, der von Nischen, Stufen, einer Höhle und engen Gängen durchzogen ist. Dieser Ort wurde dafür genutzt, die Toten zu mumifizieren. In der Mitte der Höhle befindet sich dafür eine Art Altar, auf dem die Mumien präpariert wurden. Dafür wurden die ganzen Innereien herausgenommen, der Körper mit Salzwasser ausgewaschen und dann mit Kräutern und Lama- oder Alpakawolle ausgestopft. Später wurden sie ins Heilige Tal der Inka geschafft, wo sie in Gräbern, welche sich in einer Felswand befinden, in der Fötusstellung beerdigt wurden. Der letzte besuchte Ort bildete eine rituelle Badestelle neben den Ruinenresten eines Wachturms, welcher sich am Inkatrail, der nach Cusco führt, befindet. Noch heute werden die Becken von klarem Wasser aus unterirdischen Brunnen gespeist. Die Architektur aller Stätten ist kaum zu fassen und zu begreifen. Die Mauern bestehen oft aus riesigen Steinblöcken und die Leistung, diese überhaupt erst einmal zu transportieren, ist bewundernswert. Inzwischen war es schon dunkel und unter einem herrlichen Sternenhimmel ging es zurück ins beleuchtete Cusco. Anschließend traf ich mich mit Chase (den ich in Quito kennengelernt hatte) und Natasha zum Abendessen. Das Paradoxe war, dass die beiden im Pariwana wohnten, wo ich ja eigentlich schon am Tag zuvor hinwollte. Aus Bequemlichkeit blieb ich auch diese Nacht im Loki und wir gingen abends alle zusammen zurück. Dachte ich am Nachmittag schon, das alles wäre surreal, wurde dies abends noch getoppt. Es war die Nacht der Trinkspiele, welche als Programmpunkt die Angebotsliste des Hostels zierten. Somit wurden wir Zeuge eines Raumes voller betrunkener Menschen, die schwitzten, torkelten und schrien. Den „Höhepunkt“ bildete dann ein junger Engländer, welcher seine akrobatischen Fähigkeiten wohl etwas überschätzte, als er auf die Theke kletterte und versuchte mit einem Salto vorwärts wieder unten zu landen. Das Ende vom Lied war, dass er mit seinem Rücken und seinem Kopf auf den Boden krachte. Und obwohl seine Kapuze danach vollgeblutet war, hatte er nichts besseres zu tun, als nach einer kurzen Pause, diesen sinnlosen Spiele weiter bei zu wohnen. Ehrlich, ich dachte, ich bin im falschen Film. Natürlich lebt man als Traveller ein anderes Leben als die Einheimischen. Isst in teureren Restaurants, reist herum, gönnt sich vielleicht auch Annehmlichkeiten, die für viele Einheimische unvorstellbar sind, aber nie zuvor wurden mir diese Unterschiede so bewusst wie in diesem Moment. Dieses grölende Volk, welches ein Glas nach dem nächsten kippt zu beobachten, ließ mich in der gleichen Sekunde an die gebückte, alte Frau heute Morgen am Kircheingang mit dreckigen Kleidern, an den Bettler um die Straßenecke denken. Es war wie eine eigene kleine künstliche Welt inmitten dieses großen Kontinents, inmitten von Armut, inmitten einer Kultur, die damit herzlich wenig zu tun hat. Es passte nicht zusammen und in meinem Kopf fiel es schwer, dort eine Verbindung herzustellen. Ich fühlte mich unwohl und war froh am nächsten Morgen diesen Ort zu verlassen – das ist nicht das, was ich wollte. Was den anderen so viel Spaß und Freude brachte, stieß mich ab.