Otavalo – 20.-22. Tag

So nach langer, langer Zeit, in der so viel passiert ist, versuche ich meine Berichte der letzten 2 Wochen! nachzuholen. Aermel hochkrempeln und los. Entschuldigt, wenn es zu Beginn etwas holperig ist, aber es kostet mich grad echt etwas Ueberwindung und die Tastatur ist furchtbar, was das Uebrige tut…
Geplant waren ein paar Tage Otavalo und dann die Woche in dem Wildtiercenter, doch es kam anders. In Otavalo erfuhr ich, dass alle Freiwilligen fuer genau die eine Woche in den Dschungel gehen. Ich wurde gefragt, ob ich nicht mit wolle, doch mein Bauchgefuehl und mein Geldbeutel sagten nein. Somit war die eine Woche frei und ich hing ein bisschen in den Seilen. Ich wollte so gern dort arbeiten, dass ich mich entschloss, eine Woche in Ecuador ranzuhaengen und dafuer meine Zeit in Peru zu verkuerzen. Doch erst einmal ging es Donnerstag (wir sind noch beim 2. September) fuer mich nach Otavalo. Bis dann alles geordnet, gepackt und sortiert war, verstrich einige Zeit, so dass ich schon fuerchtete im Dunkeln allein in Otavalo anzukommen. Doch alles war schon von Sylvie arrangiert und ich hatte eine Reservierung fuer ein Hostel, wohl auch ganz notwendig, denn an diesem Wochenende sollte ja das grosse Festival starten. Ich machte mich also auf zum Busbahnhof und wurde gleich dort in den Bus nach Otavalo verfrachtet. Die Busfahrt (jetzt schon zum zweiten Mal) verlief problemlos, jedoch war mir schon etwas mulmig, als ich dann irgendwo in Stadtnaehe an der Panamerikana rausgeschmissen wurde. Eigentlich dachte ich, ich kenne mich aus, da ich ja schon einmal hier war, aber irgendwie kam mir gar nichts bekannt vor und es wurde langsam daemmerig. Ich also mit meinem Stadtplan los und gluecklicherweise ist der Ort wirklich nicht so gross, so dass ich relativ schnell den richtigen Weg fand. Das Hostel war ganz wunderbar – die Zimmer waren alle um den Innenhof angeordnet und in der Mitte bluehte es gruen und farbenfroh, dazwischen ein paar Haengematten, jedoch fuehlte ich mit etwas allein, ich glaube das war das erste Mal, dass ich allein irgendwo hinreisste und nicht gleich ein bekanntes Gesicht traf (wie Michael in Baños oder Veronica in Riobamba). Ich machte mich dann auf dem Weg zum Markt, um noch etwas zu essen, doch auch die Strassen leerten sich langsam, auf dem Markt wurde alles zusammnengepackt und das Restaurant, das ich besuchte, war menschenleer. Hier fuehlte ich mich das erste Mal wirklich einsam und das Gefuehl wollte trotz der sehr netten Bedienung und dem angenehmen Ambiente nicht recht verfliegen. Ich schaufelte dann meine leckere Pasta in mich rein und schaute dabei die US Open auf einer riesigen Leinwand. Draussen auf der Strasse hingen mehrere Maenner ueber einem Spielbrett und schmissen mit Begeisterung die Steine gegeneinander, wie gern haette ich mich dazu gestellt, wie ich es in China so oft getan habe, aber man hat immer im Kopf: Vorsicht! Und spaeter wird sich noch herausstellen, nicht zu Unrecht. Als ich das Lokal verliess, sah ich noch eine andere Frau (Touristin) vor ihrem einsamen Cocktail hocken, ich hatte gar nicht gemerkt, wie sie rein gekommen ist. Ich entschied, dass es wohl an dem Tag das Beste waere, einfach im Bett zu verschwinden, solche Tage gibt es eben auch 🙂

Der naechste Morgen begann mit einem grossartigen Fruehstueck, heute sollte Sylvie, Geri und Stefan ankommen, jedoch erst am fruehen Nachmittag. Ich wollte eigentlich noch ganz gern einen Ausflug in die Umgebung machen, da ich beim letzten Mal auch nur ueber den Markt gestiefelt bin. Eine junge Englaenderin kam zu mir und bot mir an, mich ihr und ihrer argentinischen Freundin anzuschliessen, vielleicht sprang mir ja meine gefuehlte Einsamkeit aus dem Gesicht ;). Wir gingen dann erst einmal zu dem Reisebuero, wovon ich gelesen hatte, dass sie eine Rundtour zu den Webern anbieten, die Leute, die jeden Tag und speziell samstags auf dem Markt stehen und ihre Pullover, Jacken, Handschuhe, Schals und, und, und anbieten. Ich war voller Tatendrang und der strahlende Tag vertrieb die letzten Reste von Truebsinn. Es war etwas schwierig in dem Buero unsere Wuensche und Fragen zu aeussern, da die Argentinierin erst einmal auf der Suche nach einer Bank war und wir auf sie warten wollten, um gemeinsam abzustimmen, ich hatte mich auf alle Faelle schon dafuer entschieden, notfalls auch allein. Die beiden wollten dann auch lieber in der nahen Umgebung wandern, aber da ich nur diesen einen Tag hatte, wollte ich mir schon gern was anschauen. Da die beiden dann abgesprungen sind, wurde die Tour leider wesentlich teurer, somit entschied ich mich auf die anderen drei zu warten, da ich hoffte, dass sie vielleicht Lust hatten. Ich verbrachte die Zeit in einer der Haengematten unter gruenen Baeumen, durch dessen Aeste die Sonnenstrahlen blinzelten… Ich gab dem Warten Zeit bis zwei Uhr und wahrscheinlich haette ich die Tour dann auch allein gemacht. Doch kurz vorher tauchten sie auf und ich war voller Freude. Stefan entschied sich dann auch dafuer, die Zeit draengte, denn natuerlich wollten wir unter keinen Umstaenden den Beginn des Umzugs verpassen. In dem Reisebuero wurde dann herumgewuselt und es hiess, in einer halben Stunde kann es losgehen. Wir genossen in der Zwischenzeit einen guten Kaffee mit Kuchen in einem wundervollen kleinen Garten, in dem Kolibris ihre langen Schnaebel in grosse rot-gelbe Blueten tunkten. Unsere Ueberraschung war sehr gross, als wir bestellten und uns die Kellnerin in deutsch ansprach, somit gab es natuerlich auch einen waschechten Apfelkuchen 🙂 Wir quasselten die ganze Zeit und beinah verpassten wir die Zeit zur Abreise. Unsere Rundtour stellte sich zu Beginn als Familienkutsche heraus – Mutter, Vater, Sohn und Tochter. Wir brachten dann erst die kleinen Kinder weg und dann ging es zur ersten Station. Wir wurden von wuetendem Hundegebell begruesst, ein kleiner Mann kam auf uns zu und breitete in dem kleinen Innenhof seine Bastmatte aus. Vor dem Haus sassen zwei kleine Frauen mit einem Hund und gestikulierten wild, unsere Reisefuehrerin erklaerte uns, dass die beiden Schwestern sind und der Mann ihr Bruder. Die beiden Frauen sind stark geistig behindert und sie leben alle zusammen. Die Behausung war eine einfache Lehmhuette, alles sehr einfach und aermlich. Ich hatte schon vorher die Befuerchtung, dass es eine Einkaufstour wird, nicht weil man muss, sondern weil man die Leute und ihre Lebensverhaeltnisse kennenlernt, wie sie die ganzen Sachen eigenhaendig herstellen und man sich dann verpflichtet fuehlt, etwas zu kaufen. So war es dann auch, doch trotz allem sehr, sehr interessant. Der Mann am ersten Stopp stellte aus Bambusfasern kleine Koerbchen her. Uns wurde erzaehlt, dass es eine typische Tradition aus der Familie ist – es sind 12 Koerbchen fuer jeden Monat eins (es dient somit als eine Art Kalender), wobei jedes Koerbchen ein bisschen kleiner ist als das andere (nach dem Matroschka-Prinzip) – das kleinste Koerbchen ist kaum so gross wie die Fingerkuppe des kleinen Fingers. In die Koerbchen werde Teile der Ernte gegeben, die fuer die einzelnen Monate typisch ist. Die Fingerfertigkeit war beeindruckend. So hockten Stefan und ich auf der Erde und betrachten die geschwinden Haende, wie sie ein kleines Koerbchen flechteten. Ueber kleine Doerfer ging es zum naechsten Stopp. Hier wurden Jacken, Muetzen und Handschuhe gestrickt. Sobald wir ankamen, wurde sofort angefangen, fleissig loszuarbeiten 🙂 Ich liess mir dann auch eine Jacke andrehen, die mir zwar etwas zu gross ist, aber die Kapuze, die geformt ist wie eine Zwergenmuetze liess mich ueber diese kleine Unstimmigkeit hinwegsehen 😉 Fasziniert betrachtete ich wie noch schnell ein paar Knoepfe und Schlaufen angehaekelt wurden, bevor es weiterging. Der naechste Stopp war eine wunderbare Erfahrung. Zum einen konnten wir das wundervolle Bild von einem Grosselternpaar mit ihrer Enkelin beobachten (die kleine war so niedlich und als Stefan schlussendlich einen Schal kaufte, kam sie geschwind mit einer Tuete angelaufen und hielt sie ihm nach oben gestreckt entgegen), zum anderen wurden uns hier alle Schritte gezeigt, wie so ein Schal hergestellt wird mit einfachsten Mitteln ohne grosse Technik – zuerst wurde die Wolle bearbeitet, spaeter gesponnen und dann verwebt, einmalig zu beobachten. Der letzte Stopp vorbei an vielen Wiesen mit den Bergen im Hintergrund war eine weitere Webstube. Den jungen Mann, der sie betrieb gabelten wir auf dem Weg beim Fussballplatz auf. Das Weben hier ist ausschliesslich Maennerarbeit. Er stellte mit den verschiedenen Wollfaeden Teppiche mit wunderschoenen Motiven her, er erzaehlte uns, dass er rund 45 Motive im Kopf hat. Leider verpassten wir den Besuch der Hutmacher, da diese beim Fest waren, doch es war eine sehr interessante Tour mit vielen Einblicken und ich war stolz, doch das meiste verstanden zu haben, da die Tour ausschliesslich in Spanisch war. Wir holten Sylvie im Hotel ab, assen noch kurz etwas und erwischten damit den besten Platz. Waehrend auf den Buergersteigen kein Durchkommen mehr war, hatten wir unsere Aussicht vom Eingang des Restaurants und dann begann der Umzug – ein Karnevalsumzug ist nichts dagegen – wir blieben ueber 2 Stunden und zu dem Zeitpunkt war immer noch kein Ende in Sicht – Reiter in ihren Trachten, grosse Wagen mit riesigen Puppen, Schausteller, die ihre Witze mit den Passanten machen und unterschiedlichste Tanzgruppen in ihren Kostuemen, diese werden ueber das ganze Jahr fuer diesen Anlass hergestellt. Es gab Taenzer aus allen Regionen in ihren typischen Trachten, aber auch bunt-schillernde Taenzerinnen, geschmueckt mit Federn oder Taenzer mit riesigen daemonenhaften Masken oder auf Stelzen. Zu Beginn des Umzugs fuhren auf grossen Wagen oder Pferdekutschen die Bewerberinnen fuer die Schoenheitskoeniginnenwahl vorbei, die im Rahmen dieses Festes stattfindet. Ab und zu zwischen den Taenzern gab es Abgeordnetendelegationen im piekfeinen Anzug, doch die groesste Verwunderung stellte sich bei mir ein als ich von weitem die Deutschlandfahne und daneben auch noch die Bayernfahne erblickte. Stefan und Sylvie wollten mir erst gar nicht glauben, bis die Herren und Damen in Lederhosen und Dirndl an uns vorbei tanzten… Warum? Ich habe nicht die leiseste Ahnung, ich dachte, dass dann im Anschluss ja vielleicht noch andere Laender kommen, aber nein, es folgten Tanzgruppen aus Regionen in Ecuador und angrenzenden Laendern, aber keine andere Gruppe aus irgend einem europaeischen Land, ich war etwas sprachlos. Wir hatten viel Spass beim Betrachten der bunten Schar, welche sich die Strasse entlang schob und der Besuch Otavalos hatte sich dafuer definitiv gelohnt. Wir quatschten dann noch lang im Hostel, bis Sylvie langsam auf ihrem Stuhl einnickte, die Musik war noch lange nachdem wir weg waren zu hoeren, was die Groesse symbolisiert, doch wir konnten einfach nicht mehr laenger stehen :)´

Am Samstag machten wir uns dann noch einmal (zumindest fuer mich) auf den Weg zum Tiermarkt. Diesmal etwas eher und das lohnte sich. Im Vergleich zu der Woche davor gab es viel mehr Tiere, das Gewuehl war so gross, dass wir kaum auf den Markt gekommen sind oder einen Weg gesehen haben zwischen den Schweinen, Kuehen und Huehner hindurch. Es war ein atemberaubendes Bild, wie gefeilscht und betrachtet, Tiere an Stricken wegtransportiert oder auch mal ein Kalb auf dem Arm weggetragen wurde. Es gab unterschiedliche Abschnitte fuer die einzelnen Tiere. Auf einer kleinen Anhoehe standen Garkuechen, in denen jeder Teil des Tieres verwertet wurde, was jedoch ein etwas befremdliches Bild abgab – riesige Toepfe koechelnd, mit allen moeglichen Bestandteilen eines Tierleibes. Wir fragten auf dem Markt nach dem Preis fuer eine Kuh, dieser lag bei 500 Dollar, was fuer die Leute hier sicher ein kleines Vermoegen ist. Ein weiteres Mal gruselte mich der Weg vorbei an den Kleintieren – die Hueher zusammengefercht in den Stiegen, die Meerschweinchen ein wildes, quiekendes Gedraengel und die kleinen Hunde und Katzen in ihren Kaefigen. Erneut fragte ich mich, was mit ihnen wird, wenn sich kein liebevoller Besitzer finden laesst…
Auf dem Rueckweg ging ich dann noch einmal allein ueber den Markt, kaufte Geschenke fuer zu Hause, liess das bunte Gewuehl auf mich wirken und kam leider auch mit erheblich weniger Geld wieder zurueck zum Hostel 🙂 Dann wurde schnell aufgebrochen, zurueck nach Quito. Fuer Geri, Sylvie und Stefan war es der letzte Tag in Quito, um noch alles zu organisieren, bevor sie am naechsten Morgen nach Galapagos fliegen und auch ich wollte noch etwas organisieren und packen, besonders da sich mein eigentlicher Plan in Luft aufgeloest hatte. Wir kamen in Quito an und verbrachten einen grossartigen letzten Abend auf der Dachterrasse gemeinsam. Am Feuer traf ich dann auch das erste Mal Marleen und Nienke aus Holland sowie Gilad und Ben aus Israel. Wir verabredeten uns alle zum Fruehstueck fuer den naechsten Tag.

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