Tirana 15.09.
Besser haette die Reise nach Albanien gar nicht beginnen koennen, sieht man mal davon ab, dass der Wecker 4:45 Uhr klingelte. Etwas muede trotteten wir Richtung Busbahnhof – ich erwartete zu jeder Zeit einen Hund, der aus irgendeinem Grundstueck auf uns zurast, aber alles blieb friedlich… Wir kauften unser Ticket und zuckelten ab Richtung Albanien. Relativ schnell wurde es gebirgiger, die Sonne ging dunkelrot ueber den Bergen auf, zwischen denen schwere Nebelwolken hingen – wunderschoen. Wir durchquerten kleine Doerfer, fuhren entlang an Wiesen, die durch Steinmauern abgegrenzt waren, an Weinreben, Obstgaerten und grossen Heupuppen, Huehner bevoelkern die Strasse und eine Oma huetet im Baumschatten einen riesigen Bullen. Nach einer schnellen Fahrt erreichten wir Shkoder und lernten Will kennen, der mit uns im Bus sass, auf einem 4-monatigen Osteuropatrip ist (es wird einem ganz schwindelig, wenn er von den bisher bereisten Laendern in der dann doch recht kurzen Zeit erzaehlt), der fuer die naechsten Tage unser Begleiter wurde. Und ich muss gestehen, einer der ersten Amerikaner ist, der nicht komplett oberflaechlich wirkt und sich relativ unkompliziert an unseren doch recht relaxten Reisestil anpasst. Shkoder war voller Betonbloecke, zwischen drin ein kleiner Park innerhalb der Smogglocke und wir auf der Suche nach unserem Bus. So gerieten wir an einen anderen Busfahrer, der auf franzoesisch erklaerte, wo wir hin muessten und ich war so stolz auf mich, denn ich verstand jedes Wort. Das einzig Unangenehme war, dass er uns als Gespraechspartner wohl nicht fuer wuerdig erachtete und nur Will ansprach, der allerdings kein einziges Wort verstand und nur nett laechelte. Hier erkennt man schon etwas die ismalische Kultur, die sich beim Beobachten der Cafes fortsetzt, in denen ausschliesslich Maenner sitzen. Wir fanden den Bus in einem Haufen Tauben und dann folgte fuer mich der naechste „“Kulturschock““, von dem ich mich bis heut nicht wirklich erholen kann. Preisfrage: In welchem Land erwartet ihr, dass mehr als die Haelfte der Autos auf der Strasse ein Mercedes ist? Um ehrlich zu sein, waere ich nie auf Albanien gekommen, doch es ist tatsaechlich der Fall. So ein Staunen ueber Luxuslimousinen auf der Strasse kam mir nicht einmal im Ansatz rings um die Hochburg Stuttgart. Und es ist nicht uebertrieben, wenn ich sage, MEHR als jedes zweite Auto, eigentlich ist es fast jedes Auto, wollen wir nicht die Automarke BMW und Audi vergessen. Ich war wirklich sprachlos – da passt dann die Armut auf dem Land und auch in der Stadt gar nicht ins Bild. Zumindest war am Ende wahrscheinlich jeder Fahrzeugtyp den Mercedes je konstruiert hat, auf der Strasse zu sehen. Und der Lonely Planet, unsere Reisefibel, weiss eine Antwort darauf. Anfang der 90er Jahre erlebte Albanien nach der soaialistischen Diktatur eine breite Oeffnung besonders der Grenzen, was gestohlenen und geschmuggelten Autos und auch Migranten aus Asien zugute kam, explizit wird hier auch der Mercedes erwaehnt… Das Bild bleibt weiterhin im Kopf so unvereinbar und fremd. In Tirana kamen wir am aeussersten Ende der Stadt an und quaelten uns wieder einmal in der groessten Hitze Richtung Sueden. Ich erwartete ein Hostel im schoensten Plattenbau, aber gluecklicherweise Fehlanzeige – ein kleines Haus umgeben von einem Garten mit Haengematte als eine Oase in der grauen, betonierten Grossstadt. Dann begann unsere „“communism-walking-tour““. Davor assen wir jedoch gut und reichhaltig zu Mittag in einer relativ gut situierten Restaurantgegend. Dann ging es vorbei an kleinen Maerkten, an Strommasten, die ein Labyrinth aus Kabeln skizzieren und wieder dieser Mercedes neben den baufaelligen Wohnsiedlungen, aus dessen Fenstern die Satellitenschuesseln ragen – ich kann es nicht glauben. Die Gerueche und teilweise die Plaetze vereinen ein bisschen Indien, ein bisschen Nepal – Arme, alte Frauen betteln mit eingefallener Haut und teilweise Fussstuempfen vor den Kirchen und Moscheen, welche die atheistische Kampagne des sozialistischen Systems ueberlebt haben oder komplett neu aufgebaut wurden, so dass man teilweise noch das frische Holz riecht. Wir besuchten den Platz vor dem Nationalmuseum mit einem riesigen Mosaik, welches die Geschichte Albaniens widerspiegelt und die grossen Alleen und Bauten aus der Zeit Hoxhas. Wie passt dazu die Statue Mutter Teresas, die neben dem Universitaetsgebaeude steht, welches eher an ein Kasernenhaus hinter dem Exerzierplatz erinnert. Der Muell lagert seitlich an den Strassen und wieder blank geputzte Mercedes-Sterne, bei denen man froh sein muss, wenn sie nicht dein Bein abfahren. Wir wurden gewarnt, doch das einzig gefaehrliche hier, scheint der Verkehr zu sein. Wir kauften Wein und abends war gemuetliches Zusammensitzen im Hostel angesagt.