erste Etappe: Ostfjords und südliche Insel

Runter von der Fähre suchte ich erst einmal die Touristeninformation auf, um uns mit einer Reisekarte auszustatten – im besten Fall, so hoffte ich, bekäme ich wieder eine Karte auf der die ganzen Rastplätze eingezeichnet sind. Auf meine Frage erhielt ich nur unverständliches Kopfschütteln und dann kam der erste Knüller: Seit 2016 ist Wildcampen nicht mehr gestattet, da es so viele Probleme mit Touristen und ihrem verantwortungslosen Umgang mit der Natur gab. Der absolute Hammer, denn wenn wir jeden Tag auf einen Campingplatz müssten, würde das komplett die Urlaubskasse sprengen. Im Auto recherchierte ich noch einmal etwas genauer und fand Einschränkungen: das man nicht mehr in Nationalparks campen darf, nicht in der Nähe von Siedlungen und auch nicht, wenn ein Campingplatz um die Ecke ist. Das betrifft jedoch hauptsächlich Zelte, mit einem Camper darf man tatsächlich nirgendwo stehen, zumindest was den Süden und Osten angeht. Wir legten diese Regeln im Folgenden etwas großzügiger aus und begaben uns wie schon mancherorts in Schottland auf die Suche nach abgelegenen Plätzen, was angesichts des Mangels an großen Wäldern, auch recht abenteuerlich sein kann. Erst einmal genossen wir jedoch die beeindruckenden Fjorde im Osten des Landes – wir entschlossen uns angesichts des Wikingerfestivals, welches gerade in der Nähe von Rejkjavik stattfindet – die Ring Road im Uhrzeigersinn zu befahren. Zum Glück begrüßte uns Island mit bestem Wetter, so dass wir einen perfekten Start hatten. Von Sejdisfjördür durchfuhren wir tatsächlich erst einmal eine Schnee- und Eislandschaft – wie unwirklich, vor ein paar Tagen schwitzten wir noch zu sommerlichen Temperaturen in Hamburg – bevor es wieder talwärts ging und Richtung Süden. Jeder Fjord bot ein anderes Bild und wir genossen die Fahrt und insbesondere unsere erste Mittagsrast, bei der Stefan direkt mal einen nahe gelegenen Felsvorsprung erklomm. Ein wunderschönes Bild bieten die zahlreichen lilafarbenen Lupinen, die vor ein paar Jahren gepflanzt wurden, um der Bodenerosion Einhalt zu gebieten. Manchmal fährt man an richtigen Lupinfeldern vorbei, auch wenn deren rasche Verbreitung wohl teilweise recht kritisch gesehen wird, da sie die einheimischen, langsamer wachsenden Pflanzen verdrängen. Ein schönes Bild geben sie trotzdem ab. Unsere erste Nacht verbrachten wir dann an einem See, etwas abseits der Straße im Nirgendwo. Nächtliches Highlight waren Rüttler am Wagen und wir dachten erst: Oje, jetzt werden wir doch ermahnt, draußen war es hell und wir schauten uns erst einmal verdattert um. Heraus kam: es war 3:07 Uhr und zwei kleine Lämmer versuchten sich als Rammböcke, da mussten wir erst einmal herzlich lachen und ruhig verging dann die restliche Nacht.

Am nächsten Tag erreichten wir schon recht schnell den Süden der Insel und versanken erst einmal in meinen heiß geliebten warmen Quellen. Wir fanden eine Farm umrahmt von Bergen mit Blick auf einen Gletscher und fünf runde Becken voll wohlig warmen Wassers. Wir hatten alle sichtlich Spaß und Leonard genoss seinen ersten Versuch mit seinem Schwimmreifen umher zu paddeln auf der Jagd nach seinen Gummitierchen. Der Clou war, dass er unten mit den Beinen auf den Boden kam und es so eine lustige Mischung zwischen Laufen und Paddeln war, die ihm sichtlich gefiel. Ob aufgrund des Badeerlebnisses, der Klimaanlage auf der Fähre oder dem manchmal recht eisigen Wind, leider haben wir uns momentan in ein Krankenmobil verwandelt mit verstopften Nasen und etwas Fieber. Nur ich halte momentan noch die Fahne oben, hoffentlich geht es bald besser. Nach den heißen Quellen schauten wir uns noch ein erstaunliches Naturschauspiel an (was aber leider enorm touristisch ausgeschlachtet wird, wie leider viele der besonderen Szenerien), in einem türkisblauen See direkt an der Ring Road ragen riesige Eisblöcke glitzernd ihre Spitzen und Kanten Richtung Himmel. Teilweise kann man sogar richtige Eisskulpturen darin erkennen, unfassbar schön. Teile des Eises werden über den Fluss ins Meer transportiert und liegen dann auf dem schwarzen Sandstrand, der für den Süden so typisch und unser ständiger Begleiter ist, glitzernd in der Sonne. Wir konnten uns gar nicht satt sehen.

Aufgrund der beginnenden Krankheit und weil wir einen extrem schönen Stellplatz gefunden hatten, legten wir direkt einen Ruhetag ein, den Stefan noch halbwegs fit nutzte um den nahen Wasserfall zu erklimmen und ich fürs Aufräumen des Busses. Da der Wasserfall nirgends beschildert war, hatten wir ein paar Meter neben der hektischen Ring Road, tatsächlich komplette Ruhe und Abgeschiedenheit. Leider schlägt das Wetter gerade um und gestern sowie heute ist der Himmel grau und teilweise regnet es. So fuhren wir gestern nur der Straße entlang, ließen die atemberaubenden Ausblicke auf uns wirken und landeten etwa auf der Hälfte der Südstrecke in Vik. Ich bin froh, dass ich die kleine Stadt im Sonnenschein kennengelernt habe, uns begrüßte sie in tiefhängenden Wolken, so dass wir uns entschieden, die Nacht auf einem Zeltplatz unterzukommen, zumal die umliegenden 200 Kilometer ein Naturschutzreservat sind. Hier nutzten wir alle Annehmlichkeiten von Duschen über Wasserkocher bis hin zur Waschmaschine und Trockner, welch Luxus. Der Zeltplatz füllte sich auch bis zum Abend immens. Waren nachmittags noch verstreut einige Camper zu sehen, platzte abends der Platz aus allen Nähten, kein Fleckchen war mehr frei und obwohl es nur jeweils eine Dusche gab und eine Waschmaschine und einen Wasserkocher hielt sich die Wartezeit doch erstaunlicherweise in Grenzen.

Bisher wechselte das Bild von eindrucksvollen Fjorden im Osten zu einer Gletscher- und Eisvielfalt im Südosten über endlose Wasserfälle, die sich grüne Klippen herab stürzen und jetzt in Vik sind wir im Vogelparadies angekommen, die zu tausenden in den Klippen um den geschäftigen Ort nisten. Ich war ganz traurig für Stefan, dass das Wetter jetzt so schlecht ist, aber der nächste Tag zeigte zumindest einen kleinen Lichtschimmer, denn der Nebel hatte sich etwas verzogen und es regnete nicht, so dass wir uns den wunderschönen schwarzen Sandstrand mit den vorgelagerten dreizackigen Klippen in Vik anschauen konnten und auch das folgende grüne Panorama hatte mit den tiefhängenden Wolken einen ganz eigenen Charme. Da an eine Wanderung beim einsetzenden Regen nicht zu denken war (schon vor fünf Jahren hatte uns das Wetter hier einen Strick durch die Rechnung gemacht), hielten wir noch an dem leider auch recht überlaufenen Seljalandsfoss (ein Wasserfall), bei dem man dahinter entlang gehen kann und fuhren dann doch recht zügig bis zum westlichen Zipfel der Insel weiter. Wie schon vorher wurden Stefans Fahrkünste und unser kleiner roter Flitzer hart auf die Probe gestellt auf der Suche nach einer Bleibe außerhalb von Ortschaften. Wir nahmen eine, wie sich am Ende heraus stellte, doch recht lange kleine Parallelstraße. Leider beachtete ich nicht, dass die gesamte südwestliche Halbinsel bekannt ist für ihre karge, aus Vulkangestein bestehende Ebene. So fanden wir natürlich keinen Schlafplatz, aber saßen fast schon wieder auf einem sandigen, mit spitzen Steinen versehenden Weg fest. Ein, zwei Mal schlingerten wir durch den Sand und die Auffahrt auf die Straße war auch recht steil, aber glücklicherweise überstanden wir den kleinen Abstecher unbeschadet, nur mein Herzchen klopfte noch ziemlich lang schnell weiter. Und wie es der Zufall will, passierten wir 100 Meter weiter ein Schild mit der Aufschrift free camping – wohl der einzige Campingplatz in Island, der kein Geld nimmt. Sowas nennt man wohl Schicksal, wie es so häufig auf Reise passiert, auf eine eher bescheidene Erfahrung folgt etwas Großartiges. Wir waren zwar erst noch etwas skeptisch, warum free camping und als wir in die Einfahrt einbogen säumten das Farmhaus alte, teils verrostete Autos, dazu der Nebel und der Regen ließen der Phantasie Platz für das ein oder andere Horrorszenario, aber alles war wunderbar – es gab Toiletten mit warmen Wasser aus dem Hahn und sogar eine kleine Küche mit Gaskocher und übrig gebliebenen Lebensmitteln anderer Camper, perfekt für unser Frühstück. Auf der Nachbarweide grasten friedlich die wunderschönen Islandpferde und auch von den Küstenseeschwalben blieben wir nicht verschont, die sich in Vik schon auf mich gestürzt hatten, als ich ihnen zu nahe kam. Mir scheint es handelt sich um recht kampflustige Gesellen. Nach der ganzen Aufregung fanden wir alle nicht recht in den Schlaf, aber erwacht mit zumindest einem kleinen, hellen Lichtstrahl am verregneten Himmel rüsten wir uns für einen neuen Tag, an dem es zum Wikingerfestival gehen soll. Es grüßen die drei Urlauber.

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